Offenheit für „offene Gruppen“ in Kindergärten?
„Offene Gruppe“ oder „Stammgruppe“ – was ist besser? Was brauchen die Kleinsten? Was darf für ältere Kinder anders sein?
Wird Eltern die „offene Arbeit“ eines Kindergartens erklärt, erfahren sie, dass die Kinder in Funktionsräumen ihren Interessen nachgehen können. Für jedes neu aufgenommene Kind gibt es eine „Bezugserzieherin“. Diese tröstet und wickelt ihre „Bezugskinder“, ist für deren Ich-Bücher oder Bildungsdokumentation verantwortlich und steht den Eltern für Gespräche zur Verfügung. Doch auch in Einrichtungen, die auf feste Gruppen setzen, ist oft von der Eingewöhnung nach einem „Modell“ und einer „Bezugserzieherin“ die Rede. „Teiloffene pädagogische Arbeit“ gibt es ebenfalls. Hin und wieder erfahren Eltern, dass das Team einer Einrichtung zur Kinderbetreuung in Stammgruppen zurückgekehrt ist. Es sei besser für die Kleinen. Wenn Freunde oder Geschwister aus verschiedenen Gruppen zusammen spielen möchten, würde man das selbstverständlich erlauben. Intern wird geklagt, das „offene Konzept“ führe dazu, dass Erzieherinnen den Überblick über „ihre Kinder“ verlieren… Nicht nur in der Mode, auch in der Kindergartenpädagogik gibt es Trends.
Momentan ist der Ausdruck „Bezugserzieherin“ in. Er scheint die früher verwandte Bezeichnung „Tante“ durch eine Art Titel, der professionelle Distanz vermittelt, wieder einzuführen. Es hat sogar schon einen Versuch gegeben, den Begriff „Tandemeingewöhnung“ für die gemeinsame Eingewöhnung eines Kindes durch zwei speziell zuständige Erzieherinnen zu etablieren. Theoretiker der Bildungsbranche trachten danach, die Auswirkungen des Schichtdienstes auf Kinder zu beschönigen und beschönigen zu lassen. Zu den bürokratischen Pflichten der Erzieherinnen gehört es, stets wertschätzend zu dokumentieren. Wenn alle Eltern in Vollzeit dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen sollen, passt es nicht, auf die Schattenseiten des Betreuungsplatzwunders aufmerksam zu machen.
„Ich bin froh, dass ich in Baden-Württemberg arbeite. Hier ist es nicht so übel, wie in anderen Bundesländern“, habe ich schon Erzieherinnen sagen hören. Auch in den Fachforen tauschen sich die in Krippen und Kitas Tätigen über pädagogische Fragen und die Rahmen- oder Dramenbedingungen ihrer Arbeit aus. „Der tatsächliche Betreuungsschlüssel ist ein anderer als der, der auf dem Papier steht.“ – Ein Satz, den man auf Kongressen und Bildungsmessen, in den Pausen zwischen Workshops und Vorträgen immer wieder zu hören bekommt. Nachdem es kein Bundesland gibt, in dem nicht im Zuge des Betreuungsplatzausbaus ehemals geltende Standards außer Kraft gesetzt wurden, finden sich überall Erzieherinnen, die über „schöngerechnete“ Betreuungsschlüssel fluchen.
Die Reggio-Pädagogik genießt seit Jahren Ansehen – und mit ihr viele selbst „gebastelte“ oder mit Hilfe externer Berater entwickelte Konzeptionen, die auf „offene Arbeit“ setzen. Doch was nützen gute Ideen, wenn sie unter Sparzwang umgesetzt werden sollen? Erzieherinnen, die freiwillig nur zu gern nach dem in der italienischen Stadt Reggio Emilia entstandenen Konzept arbeiten würden, fühlen sich betrogen, wenn sie erleben müssen, wie ein pädagogisch sinnvolles Eingehen auf Kinder unmöglich gemacht wird.
Damit Kinder und Eltern morgens wissen, wo sie in einem großen Haus welche Erzieherin finden, arbeiten Fachkräfte für Wochen, in Extremfällen gar bis zu einem halben Jahr nach Dienstplan in einem Raum. Wochen- oder gar monatelang Kreativraum, Forscherlabor, Toberaum oder aber: Wickeltisch und Wasserspiele! Mit Hilfe „der Offenheit“ lässt sich Personalmangel verschleiern. Obwohl eigentlich für eine angemessene Bildung der Kinder mehr Personal gebraucht würde, macht allein die Vielfalt an „Ecken“ und „Bildungsinseln“ auf Eltern Eindruck. Ein „Labor“ für Kinder gab es früher nicht. Auch keine „Weltwissensvitrine“.
Wozu nur diese auf „Vorzeigeobjekte“ setzende Kindergartenbildung? Wozu dieser abstruse Pädagogen-Slang? – „Bezugserzieherin?“ – Ein Begriff, ähnlich grotesk wie das der DDR zugeschriebene „Jahresflügelendfigur“!
Alle Jahre wieder haben Erzieherinnen auf die versprochenen Verbesserungen gewartet. Das „Spiel gut“ Zeichen, auf das Eltern bewusst achten, prangt bezeichnenderweise nur auf käuflich zu erwerbenden Spielwaren. Krippen und Kitas werden nicht entsprechend zertifiziert. Erzieherinnen fühlen sich manchmal wie „im offenen Vollzug“. „Ich habe keine anspruchsvolle Ausbildung gemacht, um dann nur in einen Raum abgestellt zu werden“, sagt sich eine junge Erzieherin. „Bestimmt gibt es Alternativen.“
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